Lichte Weite.
Positionen zeitgenössischer Zeichnung 9.
Sabine Banovic / Helga Edith Geng / Claudia Schoemig
Sabine Banovic / Helga Edith Geng / Claudia Schoemig
14. September – 19. Oktober 2013
Lichte Weite
Gespinstisch der Linie folgen, weben, verweben, lösen, aufnehmen, fallen lassen. Zeichnen.
In der nordischen Mythologie sitzen die drei Nornen an der Weltesche und spinnen den Schicksalsfaden. Lebenserzählungen gerinnen zu Linien, jederzeit darauf gefasst, abgeschnitten zu werden. Ein Strich, eine Setzung, eine Entscheidung.zeichnen.
Linien kreuzen sich, Verwicklungen, Knoten, Gespinste entstehen. Sommerschnee rieselt, ein Raum wird ausgespannt, Zeit verstreicht. Lichte Weite – der ungestörte Weg ohne Hindernisse, dennoch der Gedanke, dass nicht alles und jedes durchpasst, man achtsam dem Weg folgen muss.
„Sie bringen etwas zum Vorschein“ heißt eine Zeichnung von Helga Edith Geng. Ein weißes Bild entädert sich, gebiert aus dem Nichts suchende Fühlhaare, die den Raum ertasten. Die Summe ist auch hier mehr als die Gesamtheit aller Teile, manchmal verdichten sich die Linien und schaffen Farbräume oder bilden Ansätze eine Form, als wollten sie sich verbinden, aber noch nicht endgültig trauen. Hab‘ Mut kleine Linie, „sei guter Dinge“ (auch dies ein Bildtitel). Die Zeichnungen wachsen wie ihre Vorbilder aus der Natur, denen H. Geng im Hintergrund ihrer zeichnerischen Arbeit fotografisch nachspürt. Wachsen und Vergehen, was bedeutet schon Zeit, allenfalls Jahresringe, eine Linie um die andere gesetzt, im Nu. Wilder Wein auf Häuserwänden ertastet sich den Raum.
Vier Wände – eine Linie. Aus Glitzer und Neonfarbe, Spiegel und Garn. Steht der Betrachter in der richtigen Position schrumpft der Raum und wird zum Abbild im Spiegel, Fläche und Raum buchstäblich auf die Spitze getrieben. „Variablen“ nennt Claudia Schoemig ihre Raumzeichnungen. Alle Elemente als Platzhalter eines Versuchs der Ordnung und Begrenzung. Begrenzungen als verstärkte Striche in den endlosen Verknüpfungen der fragilen und gleichzeitig strengen Zeichnungen. Die Linie als menschliche Erfindung soll gebannt werden, aber sperrt sich übermütig und entglittert. Bis hierhin und nicht weiter, aber warum nicht bei Rot über die Straße gehen, wenn die Straße frei ist. Blick in die gebauten Ecken, architektonische Verwerfungen, eine Linie führt ins Nichts. Oder woanders hin.
Eintauchen. Element in einem Element sein, das einen vollständig umschließt. Die Zeichnungen von Sabine Banovic brauchen den genauen Betrachter, in ihrem Geflecht verbergen sich Hinweise und Entdeckungen, die präsent sind und gleichzeitig verschwimmen. Klare Linien und Verfließungen im Formalen wie im Inhaltlichen. Sommerschnee fällt, der nie fallen könnte, der Taucher sucht Welten, die ohne ihn existieren. Die Tinte als ursprüngliches Angriffsmittel der Krake wandelt sich zum Umarmenden. Strich für Strich und im Fluss des Materials wachsen die Bildkosmen, die den Betrachter aufsaugen wollen. Die im Format begrenzte Fläche bewahrt vor dem Verlieren.
Drei künstlerische Fäden, die sich begegnen und verweben. Teile eines Gespinsts. In lichten Weiten.