DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT
Cornelia Renz / Xenia Fink / Niki Elbe
17.09. – 22.10.2016
Der äußere Intimbereich. Ein Kammerspiel.
In der ZEIT ist jüngst ein Artikel erschienen mit dem Titel: „Die betrunkene Frau“. Die Autorin stellt die Frage, ob das ganz normale Leben der Frau mittleren Alters – zwischen Selbstbehauptung im Männerberuf, Kinderproduktion und -erziehung, zwischen Beziehungsleben und zeitgemäßer Selbstoptimierung überhaupt nur mit Alkohol zu ertragen sei. „Wie ein Instagram-Filter“ lege sich der chemische Weichzeichner über all die Ungereimtheiten und Überanstrengungen, die wir Frauen zwischen Sonnenaufgang und Sonnenaufgang zu bewältigen suchen. Die Amerikanerin Kristi Coulter fragt also, ob dies etwa das finale Stadium der Emanzipation sei: Dass Frauen endlich soviel saufen wie die Männer.
Überhaupt, die Männer: „If you are dating me, you don’t need chemicals“, so die zunächst für das Gegenüber beruhigende Klammer, mit der die drei Berliner Künstlerinnen Niki Elbe, Xenia Fink und Cornelia Renz das zweiteilige Ausstellungsprojekt überschreiben. Teil eins fand im Frühsommer in Berlin statt und stellte den Film „Das Tal der Puppen“ ins Zentrum der Auseinandersetzung, nun, im Spätsommer, widmet sich Teil zwei dem Fassbinder-Werk „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“.
Für alle die, die den Film nicht kennen: Rainer Werner Fassbinder inszenierte 1972 ein Kammerspiel im opulenten Loft der Modedesignerin Petra, das an deren 35. Geburtstag endet. Zuvor treten auf: Eine devote Angestellte (Irm Hermann), eine skrupellose Geliebte (Hanna Schygulla), eine biedere Tochter (Eva Mattes) und eine mondäne Mutter, eine Freundin. Zwischen Ihnen entspinnt sich ein kräftezehrendes Gerangel um Zuneigung und Macht, besonders eskaliert die Situation zwischen der Modedesignerin, der Geliebten Katrin und der Dienerin Marlene. Geld, Sex, Liebe, mütterliche Autorität: Die Kräfteverhältnisse verkehren sich wieder und wieder, am Ende ist nicht klar, wer hier eigentlich wen am meisten gedemütigt hat, aber Petra ist betrunken und alleine.
Männer tauchen in Persona nicht auf, sie sind aber höchst präsent. Im Film zeigt eine Fototapete Poussins Bild „Midas und Bacchus“, eine Szene voller Rausch, Intimität und Ennui, und doch der entscheidende Moment kurz vor dem Drama. Gleich wird König Midas Bacchus um Reichtum bitten, und jener wird dafür sorgen, dass alles, was Midas fortan berührt, sich in Gold verwandelt. Das sieht kurzfristig beeindruckend aus, führt aber beinahe auch zum Hungertod des Midas. In der Mythologie geht die Sache für Midas gerade noch mal gut aus, denn Bacchus wird ihn erlösen. Bei Petra von Kant, deren künstlerischer Erfolg auch alles, was sie anfasst, vergoldet, Geld und Macht beschert, ist man sich da nicht so sicher. Und wenn man den Film als Selbstporträt Fassbinders liest, was diskutiert wird, dann weiß man, dass er in eben diesen zwischenmenschlichen Konstellationen, so wach er sie gesehen hat, selbst Schaden verursachte und Schaden nahm. Der gierige Midas, der freigiebige Bacchus, der von Midas gerettete und von Bacchus so vermisste Silenus, der manisch präzise Fassbinder, schon eine ganze Reihe von Männern im Hintergrund von Film und Ausstellung.
Das mit dem Hintergrund ist auch ganz praktisch zu verstehen, denn Cornelia Renz hat das Wandbild in der Ausstellung reinszeniert und mit ihren eigenen Arbeiten verwoben und kommentiert. Analog zum Film lässt auch sie ausschließlich weibliche Protagonistinnen auftreten. Renz Arbeiten finden auch an und für sich stets auf mehreren Ebenen statt, und das ist eine Aussage sowohl zu ihrer einzigartigen Technik von Zeichnung und Fläche hinter Glas als auch zu den Motiven und Inhalten ihrer Bilder und Bildfiguren, opulente Karambolagen autobiographischer Bezüge mit Versatzstücken aus dem Formen- und Geschichtenreichtum der Kunst-und Kulturgeschichte. Maskeraden und ein reiches Waffenarsenal treffen auf Comicsprache und altmeisterliche Schraffuren, neu erzählt.
Nicht nur die Tapete der Petra von Kant ist ins Leipzig des Jahres 2016 geraten, auch ihre Worte sind hier. Beim Betrachten des Films möchte man beinahe jeden Satz notieren, als Menetekel für all die Hoffnungen und Schmerzen, die Beziehungen so mit sich bringen. Xenia Fink hat ebendies getan und die ihr wichtigen Textfragmente einem Vorhang eingeschrieben. Bei einer Abendveranstaltung ist es leider suboptimal, über Lichtspiele am Fenster zu sprechen, also seien Sie eingeladen, diese Ausstellung ein weiteres Mal bei Sonnenlicht zu besuchen. Damit die Zartheit und Kühle des Stoffs in Dialog mit der Hitze der Worte und der zärtlichen Wärme des spielenden Lichts seine volle sinnliche Kraft entfalten kann.
Auch die Zeichnungen von Xenia Fink haben diese Auslassungen, durch die das Licht in die Arbeiten dringt. In ihren eleganten, betont grafischen Zeichnungen bleiben nur die scharfen Momentaufnahmen eines unbestimmt benennbaren Zustands des Berührens bestehen. Alle weiteren Schichten, den Raum und die Zeit hat Fink herausgedreht, setzt Textfragmente damit in eine Ebene mit Blicken und Gesten, die raffiniert gesammelt und gezoomt und damit bis zum Ornament stilisiert werden. Was in der Fantasie im Dunkeln lauert, verbirgt sich bei Fink im Ausgeblendeten, und das ist alles anders als beruhigend.
Zur weiteren Einrichtung dieses Kammerspiels hier vor Ort gehört auch ein Bett. Rasch ein Blick in den Film: Hier finden Schlüsselszenen im Bett statt – der Beginn der Liaison zwischen Petra und Katrin sowie deren verletzendes Ende. Trotz der Intimität zwischen den Kissen fallen nie die Schranken zwischen den Personen, im Gegenteil. Auch Niki Elbe hat ein Bett geschaffen, auch hier sind die weichen Ruhekissen wenig erholsam: Das Bett weint (Stichwort abwesender Mann). Und auch ein Kleid gehört in diesen Raum, ein Hochzeitskleid: Es ist verletzt.
Der Schlüssel zu Niki Elbes Gesamtwerk sind ihre Bilder, filigran und farbstark mit Buntstiften und Tusche auf Papier gezeichnet. Sie öffnen den Kosmos einer sich fortentwickelnden Bildergeschichte, von der jedes Bild ein Teil zu sein scheint. Figurative Erfindungen tauchen auf, begleiten die Geschichte für eine Weile, mischen sich untereinander oder gleiten auch wieder aus dem Bewusstsein. Ungehörte oder unerhörte Ereignisse werden von wahlverwandten Frauenbildern gespielt, von Mannequins, Chimären, afrikanischen Skulpturen, mexikanischer Folklore. In Niki Elbes Bilderzählung begeben sich all diese unterschiedlichen Figuren in einen Tanz, mal ein intimes Duett, mal ein schrill rauschhaftes Geschehen.
Die Ausstellung ist übrigens nicht das Werk eines außenstehenden Kurators. Die drei Künstlerinnen haben diese Kombination bewusst gewählt und die Filmwelt als Ankerpunkt für ihren gemeinsamen Auftritt bestimmt und genutzt. Die vielfältigen Parallelen ihrer Arbeitsweisen rund um den Themenkomplex des Unbewussten, des Verborgenen und auch des Unheimlichen hat das Bedürfnis erwachsen lassen, die jeweilige Auseinandersetzung zur sichtbaren Kommunikation zu verdichten. Und so ist es vollkommen legitim, die Arbeiten gemischt zu betrachten, von Schraffur zu Schraffur zu springen, von Maske zu Maske zu Kostümierung, von Ausruf zu Ausruf, und die Schnittmengen deutlich wahrzunehmen.
Es wird viel auf einmal erzählt in all diesen Arbeiten hier, und dieser komplexen Kosmos beansprucht den Empfänger ebenso wie die Produzentinnen.
If I am dating you, I DO Need chemicals – dieser Satz findet sich als Fazit im gemeinsamen Ausstellungskonzept der Künstlerinnen. Dazu die chemische Formel von Alkohol: C2H6O
Bacchus kann hier aber kein Erlöser sein. Das als so betäubend Empfundene ist nicht zu betäuben. Es gibt den chemischen Weichzeichner nicht. Dieses Grundgefühl findet sich in allen Arbeiten, das nicht Konkretisierbare des Überbordenden. Die hier ausstellenden Frauen sind Künstlerinnen, die aus diesem Gefühl von Sturm und Drang komplexe Bildwelten entwickeln, dafür formale zeichnerische Zauberformeln finden und ein Füllhorn ausschütten an Ideen, Bezügen und Gefühlen, an meisterhafter Strichführung und Farbgebung, an hochaktuellem Beitrag zum figurativen Teil des Kunstgeschehens. Dieser, der figurative Teil des aktuellen Kunstgeschehens, ist in seiner Entwicklung nicht denkbar ohne die Impulse der vergangenen Jahrzehnte eben aus Leipzig mitzudenken. Ganz konkret gibt es auch die lokale Verbindung: Cornelia Renz hat an der HGB studiert und so stehen über ihren Professor Sighart Gille Heisig und die anderen ihrem künstlerischen Stammbaum eingeschrieben – Wenn Renz auch die Monumentalität der Schlachtengemälde mit in eine ganz andere Zeit genommen hat und die Erzählstränge der ausstellungsimmanenten, internen Kommunikation nicht zuletzt über die internationalen Biografien und Bezüge von Elbe und Fink bis in weit entfernte Winkel der geographischen und gestalterischen Welt reichen. Aber:
So, wie die abwesenden Männer inhaltlich sowohl im Fassbinder-Film als auch in der Auseinandersetzung auf erzählerischer Ebene bei den drei Künstlerinnen sehr wohl deutlich sichtbar sind, einfach weil man sich selbstverständlich an ihnen reibt, in welcher Hinsicht auch immer, so sind sie es auch im aktuellen Kunstgeschehen‘ der Figuration, Leipzig.
Der Moment, an dem die Anzahl der Kunsthochschulstudentinnen mit der späteren Präsenz im Ausstellungswesen und auch dem pekuniären Erfolg der Geschlechter in einem ausgewogenen Verständnis steht, ist auf jeden Fall noch weit entfernt. Dabei zeigt diese Ausstellung, dass es selbstverständlich sein kann, und das dieser Aspekt ein noch viel entscheidender ist, als die Sache mit dem berauschenden Grundthema, und dass dann auch wirklich ein wichtiger Passus im Bezug auf die Emanzipation ist: Dass Frauen endlich so viel malen wie die Männer.
Julia Brodauf
Heynstrasse. 22
13187 Berlin
julia@brodauf.info
DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT
Cornelia Renz / Xenia Fink / Niki Elbe
17.09. – 22.10.2016
Der äußere Intimbereich. Ein Kammerspiel.
In der ZEIT ist jüngst ein Artikel erschienen mit dem Titel: „Die betrunkene Frau“. Die Autorin stellt die Frage, ob das ganz normale Leben der Frau mittleren Alters – zwischen Selbstbehauptung im Männerberuf, Kinderproduktion und -erziehung, zwischen Beziehungsleben und zeitgemäßer Selbstoptimierung überhaupt nur mit Alkohol zu ertragen sei. „Wie ein Instagram-Filter“ lege sich der chemische Weichzeichner über all die Ungereimtheiten und Überanstrengungen, die wir Frauen zwischen Sonnenaufgang und Sonnenaufgang zu bewältigen suchen. Die Amerikanerin Kristi Coulter fragt also, ob dies etwa das finale Stadium der Emanzipation sei: Dass Frauen endlich soviel saufen wie die Männer.
Überhaupt, die Männer: „If you are dating me, you don’t need chemicals“, so die zunächst für das Gegenüber beruhigende Klammer, mit der die drei Berliner Künstlerinnen Niki Elbe, Xenia Fink und Cornelia Renz das zweiteilige Ausstellungsprojekt überschreiben. Teil eins fand im Frühsommer in Berlin statt und stellte den Film „Das Tal der Puppen“ ins Zentrum der Auseinandersetzung, nun, im Spätsommer, widmet sich Teil zwei dem Fassbinder-Werk „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“.
Für alle die, die den Film nicht kennen: Rainer Werner Fassbinder inszenierte 1972 ein Kammerspiel im opulenten Loft der Modedesignerin Petra, das an deren 35. Geburtstag endet. Zuvor treten auf: Eine devote Angestellte (Irm Hermann), eine skrupellose Geliebte (Hanna Schygulla), eine biedere Tochter (Eva Mattes) und eine mondäne Mutter, eine Freundin. Zwischen Ihnen entspinnt sich ein kräftezehrendes Gerangel um Zuneigung und Macht, besonders eskaliert die Situation zwischen der Modedesignerin, der Geliebten Katrin und der Dienerin Marlene. Geld, Sex, Liebe, mütterliche Autorität: Die Kräfteverhältnisse verkehren sich wieder und wieder, am Ende ist nicht klar, wer hier eigentlich wen am meisten gedemütigt hat, aber Petra ist betrunken und alleine.
Männer tauchen in Persona nicht auf, sie sind aber höchst präsent. Im Film zeigt eine Fototapete Poussins Bild „Midas und Bacchus“, eine Szene voller Rausch, Intimität und Ennui, und doch der entscheidende Moment kurz vor dem Drama. Gleich wird König Midas Bacchus um Reichtum bitten, und jener wird dafür sorgen, dass alles, was Midas fortan berührt, sich in Gold verwandelt. Das sieht kurzfristig beeindruckend aus, führt aber beinahe auch zum Hungertod des Midas. In der Mythologie geht die Sache für Midas gerade noch mal gut aus, denn Bacchus wird ihn erlösen. Bei Petra von Kant, deren künstlerischer Erfolg auch alles, was sie anfasst, vergoldet, Geld und Macht beschert, ist man sich da nicht so sicher. Und wenn man den Film als Selbstporträt Fassbinders liest, was diskutiert wird, dann weiß man, dass er in eben diesen zwischenmenschlichen Konstellationen, so wach er sie gesehen hat, selbst Schaden verursachte und Schaden nahm. Der gierige Midas, der freigiebige Bacchus, der von Midas gerettete und von Bacchus so vermisste Silenus, der manisch präzise Fassbinder, schon eine ganze Reihe von Männern im Hintergrund von Film und Ausstellung.
Das mit dem Hintergrund ist auch ganz praktisch zu verstehen, denn Cornelia Renz hat das Wandbild in der Ausstellung reinszeniert und mit ihren eigenen Arbeiten verwoben und kommentiert. Analog zum Film lässt auch sie ausschließlich weibliche Protagonistinnen auftreten. Renz Arbeiten finden auch an und für sich stets auf mehreren Ebenen statt, und das ist eine Aussage sowohl zu ihrer einzigartigen Technik von Zeichnung und Fläche hinter Glas als auch zu den Motiven und Inhalten ihrer Bilder und Bildfiguren, opulente Karambolagen autobiographischer Bezüge mit Versatzstücken aus dem Formen- und Geschichtenreichtum der Kunst-und Kulturgeschichte. Maskeraden und ein reiches Waffenarsenal treffen auf Comicsprache und altmeisterliche Schraffuren, neu erzählt.
Nicht nur die Tapete der Petra von Kant ist ins Leipzig des Jahres 2016 geraten, auch ihre Worte sind hier. Beim Betrachten des Films möchte man beinahe jeden Satz notieren, als Menetekel für all die Hoffnungen und Schmerzen, die Beziehungen so mit sich bringen. Xenia Fink hat ebendies getan und die ihr wichtigen Textfragmente einem Vorhang eingeschrieben. Bei einer Abendveranstaltung ist es leider suboptimal, über Lichtspiele am Fenster zu sprechen, also seien Sie eingeladen, diese Ausstellung ein weiteres Mal bei Sonnenlicht zu besuchen. Damit die Zartheit und Kühle des Stoffs in Dialog mit der Hitze der Worte und der zärtlichen Wärme des spielenden Lichts seine volle sinnliche Kraft entfalten kann.
Auch die Zeichnungen von Xenia Fink haben diese Auslassungen, durch die das Licht in die Arbeiten dringt. In ihren eleganten, betont grafischen Zeichnungen bleiben nur die scharfen Momentaufnahmen eines unbestimmt benennbaren Zustands des Berührens bestehen. Alle weiteren Schichten, den Raum und die Zeit hat Fink herausgedreht, setzt Textfragmente damit in eine Ebene mit Blicken und Gesten, die raffiniert gesammelt und gezoomt und damit bis zum Ornament stilisiert werden. Was in der Fantasie im Dunkeln lauert, verbirgt sich bei Fink im Ausgeblendeten, und das ist alles anders als beruhigend.
Zur weiteren Einrichtung dieses Kammerspiels hier vor Ort gehört auch ein Bett. Rasch ein Blick in den Film: Hier finden Schlüsselszenen im Bett statt – der Beginn der Liaison zwischen Petra und Katrin sowie deren verletzendes Ende. Trotz der Intimität zwischen den Kissen fallen nie die Schranken zwischen den Personen, im Gegenteil. Auch Niki Elbe hat ein Bett geschaffen, auch hier sind die weichen Ruhekissen wenig erholsam: Das Bett weint (Stichwort abwesender Mann). Und auch ein Kleid gehört in diesen Raum, ein Hochzeitskleid: Es ist verletzt.
Der Schlüssel zu Niki Elbes Gesamtwerk sind ihre Bilder, filigran und farbstark mit Buntstiften und Tusche auf Papier gezeichnet. Sie öffnen den Kosmos einer sich fortentwickelnden Bildergeschichte, von der jedes Bild ein Teil zu sein scheint. Figurative Erfindungen tauchen auf, begleiten die Geschichte für eine Weile, mischen sich untereinander oder gleiten auch wieder aus dem Bewusstsein. Ungehörte oder unerhörte Ereignisse werden von wahlverwandten Frauenbildern gespielt, von Mannequins, Chimären, afrikanischen Skulpturen, mexikanischer Folklore. In Niki Elbes Bilderzählung begeben sich all diese unterschiedlichen Figuren in einen Tanz, mal ein intimes Duett, mal ein schrill rauschhaftes Geschehen.
Die Ausstellung ist übrigens nicht das Werk eines außenstehenden Kurators. Die drei Künstlerinnen haben diese Kombination bewusst gewählt und die Filmwelt als Ankerpunkt für ihren gemeinsamen Auftritt bestimmt und genutzt. Die vielfältigen Parallelen ihrer Arbeitsweisen rund um den Themenkomplex des Unbewussten, des Verborgenen und auch des Unheimlichen hat das Bedürfnis erwachsen lassen, die jeweilige Auseinandersetzung zur sichtbaren Kommunikation zu verdichten. Und so ist es vollkommen legitim, die Arbeiten gemischt zu betrachten, von Schraffur zu Schraffur zu springen, von Maske zu Maske zu Kostümierung, von Ausruf zu Ausruf, und die Schnittmengen deutlich wahrzunehmen.
Es wird viel auf einmal erzählt in all diesen Arbeiten hier, und dieser komplexen Kosmos beansprucht den Empfänger ebenso wie die Produzentinnen.
If I am dating you, I DO Need chemicals – dieser Satz findet sich als Fazit im gemeinsamen Ausstellungskonzept der Künstlerinnen. Dazu die chemische Formel von Alkohol: C2H6O
Bacchus kann hier aber kein Erlöser sein. Das als so betäubend Empfundene ist nicht zu betäuben. Es gibt den chemischen Weichzeichner nicht. Dieses Grundgefühl findet sich in allen Arbeiten, das nicht Konkretisierbare des Überbordenden. Die hier ausstellenden Frauen sind Künstlerinnen, die aus diesem Gefühl von Sturm und Drang komplexe Bildwelten entwickeln, dafür formale zeichnerische Zauberformeln finden und ein Füllhorn ausschütten an Ideen, Bezügen und Gefühlen, an meisterhafter Strichführung und Farbgebung, an hochaktuellem Beitrag zum figurativen Teil des Kunstgeschehens. Dieser, der figurative Teil des aktuellen Kunstgeschehens, ist in seiner Entwicklung nicht denkbar ohne die Impulse der vergangenen Jahrzehnte eben aus Leipzig mitzudenken. Ganz konkret gibt es auch die lokale Verbindung: Cornelia Renz hat an der HGB studiert und so stehen über ihren Professor Sighart Gille Heisig und die anderen ihrem künstlerischen Stammbaum eingeschrieben – Wenn Renz auch die Monumentalität der Schlachtengemälde mit in eine ganz andere Zeit genommen hat und die Erzählstränge der ausstellungsimmanenten, internen Kommunikation nicht zuletzt über die internationalen Biografien und Bezüge von Elbe und Fink bis in weit entfernte Winkel der geographischen und gestalterischen Welt reichen. Aber:
So, wie die abwesenden Männer inhaltlich sowohl im Fassbinder-Film als auch in der Auseinandersetzung auf erzählerischer Ebene bei den drei Künstlerinnen sehr wohl deutlich sichtbar sind, einfach weil man sich selbstverständlich an ihnen reibt, in welcher Hinsicht auch immer, so sind sie es auch im aktuellen Kunstgeschehen‘ der Figuration, Leipzig.
Der Moment, an dem die Anzahl der Kunsthochschulstudentinnen mit der späteren Präsenz im Ausstellungswesen und auch dem pekuniären Erfolg der Geschlechter in einem ausgewogenen Verständnis steht, ist auf jeden Fall noch weit entfernt. Dabei zeigt diese Ausstellung, dass es selbstverständlich sein kann, und das dieser Aspekt ein noch viel entscheidender ist, als die Sache mit dem berauschenden Grundthema, und dass dann auch wirklich ein wichtiger Passus im Bezug auf die Emanzipation ist: Dass Frauen endlich so viel malen wie die Männer.
Julia Brodauf
Heynstrasse. 22
13187 Berlin
julia@brodauf.info