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luft.spitzen

Annabella Kalisch und Friederike Warneke

12.09. bis 19.12.2015

Friederike Warnekes Materialbilder wagen einen Grenzgang zwischen Malerei und Bildhauerei. Ausgehend von einer quadratischen Fläche wachsen ihre organoiden Geschöpfe in den Raum und entwickeln dabei eine unglaubliche Dynamik und Präsenz. Diese ergibt sich zum einen aus der rhythmisierten Form und zum anderen aus dem kraftvollen – in seinem ursprünglichen Kontext stark strapazierfähigen – Material. Es sind Fahrrad- und Autoreifenschläuche, welche gedehnt, gezogen, gefaltet, gewickelt, getackert außergewöhnliche Formen annehmen. Die Substanz Gummi mit ihrer düsteren und schweren Erscheinung wird zu etwas Filigranem, Geflockten, rüschenartig Belebtem, Luftigem. Ihrem ursprünglichen Bedeutungsgehalt und funktionellem Charakter entledigt, entwickeln die Schläuche und deren Ventile in ihrer bildhaften Anordnung und ihrer Akkumulation ein Eigenleben, das auch durch die dem Material so eigene Beweglichkeit fasziniert.
Dabei ist das, was sich einst als Luft speicherndes Gefäß definierte und komfortables Fortbewegen versprach, nun platt, luftleer und verweist nur noch auf die ursprüngliche Form. Doch auch oder gerade ohne Luft birgt es eine ungeheure plastische Qualität in sich. Das Licht fängt sich an der Oberfläche und modelliert Schwünge, Tunnel, Gipfel. Das Schwarz des Gummis wirft eine Decke über alle Formen und betont damit ihre Gemeinsamkeiten.
Es belebt die Formen, bringt sie in Bewegung und lässt den Betrachter in unergründliche Tiefen versinken.
Mit den Titeln ihrer Arbeiten verweist Friederike Warneke stets auf die Form: Mit „upright- down“ oder „kleines rotes Ventilbild“ geht es ihr offenbar weniger um eine Metaphorik, wie sie z.B. Louis Bourgeois mit den Worten, dass die Objekte, die sie schuf, Erfahrungen und Emotionen erfahrbar machen, beschreibt. Vielmehr erforscht sie spielerisch die Möglichkeiten sogenannter armer Materialien jenseits ihrer herkömmlichen Funktion und  ist an der ihnen innewohnenden Poesie interessiert. Es ist das beiläufig für die Kunst Entdeckte, was neu auf seine Eigenschaften geprüft, zu erzählen beginnt.
Sind es Träume, flüchtige Bilder, Gedankenschnipsel, welchen Annabella Kalisch in ihren außergewöhnlich spannungsreichen Bleistiftzeichnungen noch einmal nachspürt? Schnell versinkt man und verliert sich in den papiernen Welten der Künstlerin. Hier meint man ein leises Knistern hinter dem Gebüsch zu hören und vermutet ein Wesen in unmittelbarer Nähe, dort wird man en-passant Betrachter eines märchenhaft anmutenden Szenarios. Andernorts verstellen Grenzen, Absperrungen, Sichtblenden und Nebelwände den Blick auf das Dahinter. Die Stille und das Gefühl der Abschottung erzeugen eine ambivalente Stimmung aus innerem Frieden und Furcht. Vermeintlich romantische Waldstücke werden durch unwirkliche, surreal erscheinende Eindringlinge dramatisch erhöht und beinah ins Cineastische gerückt.
Bei ihrem Herangehen an eine Zeichnung spielen Anregungen, Bilder, Skizzen anfangs noch eine Rolle. Im Verlauf des zeichnerischen Prozesses jedoch rücken diese mehr und mehr in den Hintergrund und das Intuitive gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das Gegenständliche löst sich auf, beginnt aus einem eigenen  Prozess heraus zu wachsen und bildet ein komplexes Geflecht aus Ornamenten, Mustern und Strukturen voller Assoziationen. Spuren von Gedanken, von Erlebten, Fragmente von Wahrgenommenem werden zu einem berührenden Kunstkosmos gesponnen.
Die in der Ausstellung zu sehenden Werke „eulen. spiegel“ und „kauz.haft“ sind erzählerisch zurückgenommener als andere Werke der Künstlerin. Die Bilder, die wie ungleiche Zwillinge wirken und eng aneinander gehängt gezeigt werden, erscheinen wie Detailaufnahmen der in anderen Bildern festgehaltenen Szenarien. Hier geht sie näher ran. Der Betrachter wähnt sich in unmittelbarer Nähe zu  Objekten, welche die Künstlerin über abstrahierte Flächen entwickelt. Trotz der Nähe erschließt sich dem Betrachter nicht, worum genau es sich dabei handelt. Es bleibt ihm überlassen, ob er sie gegenständlich deutet oder aber in ihrer Rätselhaftigkeit belässt.

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